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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 13.04.2004
Aktenzeichen: 8 UF 198/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 1585b III | |
ZPO § 270 III |
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
In der Familiensache (nachehelicher Unterhalt)
hat der 1. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 13. April 2004 für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Flensburg vom 18. September 2003 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Parteien hatten am 28. Januar 1983 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe stammen die Töchter R., geboren am 28. Februar 1984, und I., geboren am 19. März 1986. Die Ehewohnung befand sich in einem Einfamilienhaus in E., welches im Miteigentum der Parteien stand. Die Trennung erfolgte dadurch, dass der Beklagte aus der Ehewohnung ausgezogen ist. Im Zuge der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung der Parteien hat die Klägerin die Miteigentumshälfte des Beklagten übernommen. Der Ausgleichsbetrag ist finanziert worden.
Nach der Trennung der Parteien hat die Klägerin Trennungsunterhalt verlangt. Die Parteien schlossen am 29. August 2000 vor dem Senat einen Vergleich, wonach der Beklagte sich verpflichtete, ab März 1999 monatlich 246 DM zu zahlen (8 UF 59/99). Kindesunterhalt hat der Beklagte durchgängig gezahlt.
Die Ehe der Parteien ist durch Verbundurteil des Familiengerichts vom 31. März 1999, rechtskräftig seit dem 15. Mai 1999, geschieden worden (65 F 184/95).
Mit der vorliegenden Klage, verbunden mit einem Prozesskostenhilfegesuch, eingegangen beim Familiengericht am 14. Juni 1999, hat die Klägerin nachehelichen Unterhalt von monatlich 432,92 DM ab 16. Mai 1999 verlangt, nachdem sie den Beklagten zuvor mit Anwaltsschreiben vom 12. Mai 1999 zur Zahlung dieses Betrages aufgefordert hatte. Da das Trennungsunterhaltsverfahren noch nicht abgeschlossen war, hat das Familiengericht auf Anregung der Beklagtenvertreter das vorliegende Verfahren zunächst nicht gefördert. Unter Hinweis auf den am 29. August 2000 vor dem Senat abgeschlossenen Vergleich haben die Klägervertreter mit Schriftsatz vom 19. Juli 2001 gebeten, dem vorliegenden Verfahren Fortgang zu geben. Daraufhin hat das Familiengericht mit Verfügung vom 1. Oktober 2001 mitgeteilt, dass bisher hier nur ein Prozesskostenhilfeverfahren anhängig sei, eine Zustellung der Klage noch nicht erfolgt sei. Durch Beschluss vom 27. März 2002 hat das Familiengericht Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt, die Klage sei mutwillig, weil der Unterhaltsanspruch im Scheidungsverbund hätte geltend gemacht werden können. Auf die Beschwerde der Klägerin hat der Senat durch Beschluss vom 7. Mai 2002 diesen Beschluss aufgehoben (8 WF 52/02). Danach hat das Familiengericht der Klägerin Prozesskostenhilfe für nachehelichen Unterhalt von monatlich 432,92 DM für die Zeit vom 16. Mai bis 31. Dezember 1999 und ab Mai 2001 sowie in Höhe von monatlich 285 DM für die Zeit von Januar bis April 2001 bewilligt. Eine Zustellung der Klagschrift ist nicht erfolgt. Im Termin vom 13. Juni 2002 sind Anträge nicht gestellt worden. Danach hat das Familiengericht Beweis erhoben über den Wohnwert des von der Klägerin bewohnten Hauses durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Erstmalig im Termin vom 14. August 2003 sind Anträge gestellt worden. Durch das angefochtene Urteil hat das Familiengericht Unterhaltsrückstände für die Zeit von Mai 1999 bis Februar 2003 in Höhe von 3619,71 € ausgeurteilt.
Hiergegen wendet der Beklagte sich mit seiner Berufung. Er ist der Ansicht, dass die Frist des § 1585b Abs. 3 BGB zu berücksichtigen sei. Das Aufforderungsschreiben der Klägerin vom 12. Mai 1999 sei vor Rechtskraft der Scheidung erfolgt und deswegen nicht verzugsbegründend. Da erst im Termin vom 14. August 2003 Anträge gestellt worden seien, könne Unterhalt erst ab 13. August 2002 verlangt werden. Das PKH-Gesuch der Klägerin ersetze nicht die Rechtshängigkeit, die gesetzliche Regelung sei eindeutig. Die Klägerin habe auch ihre Bedürftigkeit nicht substantiiert dargelegt, ihr sei nach Übernahme des Hauses jedenfalls ein hälftiger Wohnvorteil zuzurechnen. Sie verfüge über Nebeneinkünfte aus der Betreuung von Pflegekindern.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass das Familiengericht auf Anregung des Beklagten das vorliegende Verfahren zunächst nicht gefördert habe. Es gelte die Vorschrift des § 270 Abs. 3 ZPO a. F. Zur Verfahrensverzögerung sei es durch einen Fehler des Familiengerichts gekommen, was ihr nicht angelastet werden könne. Die Betreuung eines Pflegekindes habe sie erst ab März 2003 aufgenommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat die Parteien im Termin vom 13. April 2004 gehört.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Seine Ansicht, die Klägerin könne Unterhalt erst ab 13. August 2002 verlangen, trifft nicht zu. Nach § 1585b Abs. 3 BGB kann für eine mehr als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit liegende Zeit Erfüllung nur verlangt werden, wenn anzunehmen ist, dass der Verpflichtete sich der Leistung absichtlich entzogen hat. Es handelt sich um einen gesetzlich geregelten Fall der Verwirkung, die an eine "illoyal verspätete Geltendmachung" des Rechts nachteilige Folgen für den Rechtsinhaber knüpft. Die Vorschrift soll verhindern, dass die Unterhaltsschuld zu stark anwächst, dient also dem Schutz des Unterhaltsschuldners (Palandt/Brudermüller, BGB, 63. Aufl., § 1585b Rdnr. 3). Auf diese Schutzvorschrift kann der Beklagte sich im vorliegenden Falle nicht berufen. Denn er befand sich aufgrund des Aufforderungsschreibens der Klägerin vom 12. Mai 1999 hinsichtlich der Zahlung nachehelichen Unterhalts in Verzug. Entgegen seiner Ansicht war die Klägerin nicht gehalten die Rechtskraft der Scheidung abzuwarten, sondern geradezu genötigt den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt schon vorher anzumahnen, um ihre Rechte zu wahren.
Aufgrund dieser Mahnung war es für den Beklagten klar, dass die Klägerin nach dem Trennungsunterhalt auch nachehelichen Unterhalt verlangen würde. Zwar ist zutreffend, dass aufgrund einer fehlerhaften Sachbehandlung durch das Familiengericht die Zustellung der Klagschrift, die nicht nur ein reines Prozesskostenhilfegesuch war, verzögert worden ist. Das aber kann der Klägerin nicht angelastet werden, denn auf die Zustellung hat sie keinen Einfluss. Es entspricht deswegen auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass die Vorschrift des § 270 Abs. 3 ZPO a. F. bei der vorliegenden Fallkonstellation großzügig anzuwenden ist. Danach gibt es keine absolute zeitliche Grenze, nach deren Überschreitung eine Zustellung nicht mehr als demnächst anzusehen wäre (BGH MDR 2003, 568, 569). Zwar liegt hier zwischen der Einreichung der Klage im Juni 1999 und der Rechtshängigkeit im August 2003 ein Zeitraum von mehr als vier Jahren, gleichwohl trifft der Sinn und Zweck der Schutzvorschrift des § 1585b Abs. 3 BGB diesen Fall nicht. Die Verfahrensverzögerung ist zum einen von der Beklagtenseite veranlasst worden, zum anderen dadurch, dass das Familiengericht die Zustellung der Klage versäumt hat. Die erst aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. August 2003 eingetretene Rechtshängigkeit der Klage wirkt deswegen gemäß § 270 Abs. 3 ZPO a. F. auf den Einreichungszeitpunkt zurück.
Entgegen der Ansicht des Beklagten hat die Klägerin ihre Bedürftigkeit substantiiert dargelegt. Insoweit kann auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen werden. Ein Wohnvorteil ist der Klägerin zu Recht nicht zugerechnet worden. Soweit sie den Miteigentumsanteil des Beklagten an dem gemeinsamen Haus übernommen hat, setzt sich der eheangelegte Wohnvorteil auch auf Seiten des Beklagten an dem Ausgleichsbetrag fort. Gleiches gilt für den eheangelegten Wohnvorteil der Klägerin an der übernommenen Miteigentumshälfte. Da auf Seiten der Klägerin die Finanzierungskosten höher sind als der vom Sachverständigen festgestellte Mietwert von monatlich 900 DM, wirkt sich der Wohnvorteil nicht bedarfsmindernd aus.
Zusätzliche Einkünfte aus der Betreuung eines Pflegekindes hat die Klägerin in dem hier maßgeblichen Zeitraum bis Februar 2003 nicht gehabt.
Nach allem hat die Berufung des Beklagten keinen Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Eine Zulassung der Revision gemäß § 546 Abs. 2 ZPO ist nicht geboten, weil die vorliegende Entscheidung sich im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 270 Abs. 3 ZPO a. F. bewegt.
Ende der Entscheidung
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